Eine kleine Auswahl erfolgreich vermittelter Kunstwerke
"E30"
Bereits in den 1950er Jahren begann Wojciech Fangor, sich mit dem Zusammenspiel zwischen einfachen Formen (Kreis, Quadrat, Welle etc.) und diffusen Farben respektive deren Übergängen zu beschäftigen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang vor allem die Tatsache, dass Fangor seinen Stil abseits der seinerzeit vorherrschenden zeitgenössischen Tendenzen wie "Op-Art" und "Color-Field-Painting", quasi in Isolation, völlig autark in Polen entwickelte; schon 1956 finden sich in seinem Werk die unterbrochenen Farbzonen - zerfließende Konturen, Tönungen und Ebenen - und die optischen Täuschungen, die sie hervorrufen.
Fangor schrieb 1965 als Teilnehmer des Programms "Artists in Residence" der Ford Foundation Berlin: "Heute fängt das Bild an, durch seine Farbflächen nach außen zu strahlen. Das Bild ist zu einer Strahlungsquelle geworden, die eine Zone der physischen Wirkung im Raum schafft. Im Gegensatz zu einem nach innen wirkenden imaginären Raum kann man einen nach außen wirkenden Raum schaffen."
Die in den 1960er und 1970er Jahren international renommierte Grabowski Galerie widmete dem Künstler 1966 eine große Einzelausstellung in London. Noch im selben Jahr verlegte Fangor, der zuvor schon in Polen, Frankreich, Deutschland, England und den USA gelebt hatte, dauerhaft seinen Wohnsitz nach New York, wo er an der Fairleigh Dickinson University lehrte. Kurz zuvor hatte bereits das Museum of Modern Art mit der Aufsehen erregenden Ausstellung "The Responsive Eye" das Werk des Künstlers geadelt.
Illusion im visuellen Kontext ist, um Josef Albers' Satz zu gebrauchen, "Die Diskrepanz zwischen physischen Tatsachen und physischen Effekten." Fangors Raumdynamik befindet sich irgendwo zwischen dem Betrachter und der Leinwand, mitten in der Luft, wo die Augen sie wahrnehmen. Jeder Versuch sich auf die unscharfen und fließenden Bilder Fangors zu fokussieren, ruft eine unmittelbare Aktivierung von Farben und Konturen hervor, die zerfallen und sich erneuern. Wie ein "imaginäres Bild" entziehen sie sich der Fixierung durch das Auge. Wenn es schließlich doch das kinetische Feld durchdringt, um auf der Leinwand zu ruhen, realisiert der Betrachter, dass die Farben und Kompositionen, welche er aus der Distanz sieht, nicht Farbaufträge und tatsächliche Formen sind, sondern illusionistische Vordergrund-Bilder, erzeugt durch die individuelle Wahrnehmung.
Die Interaktion von Farben ist der Schlüssel zu Fangors illusionistischen Räumen. Nach Josef Albers provoziert die gleiche Lichtintensität von zwei Farbtönen die Auflösung von Formen; nachzulesen in seiner Publikation "Interaction of Color". Fangor geht noch einen Schritt weiter als Albers und fügt den bestehenden drei Faktoren Farbton, optischer Wirkung und geistiger Wahrnehmung noch einen vierten hinzu, nämlich die Verdichtung des Raumes zwischen dem Auge des Betrachters und der farbigen Oberfläche. Fangor nennt den Bereich vor der Leinwand "P.I.S." ("Positive Illusory Space"). Er ist das Gegenteil von "N.I.S.", dem "Negative Illusory Space" der traditionellen Perspektive. Dort verharrt der Betrachter stets in relativer Distanz zu einer Raumerfahrung, die sich auf oder hinter der Malfläche abspielt.
Literatur:
Fangor, Wojciech in: Ford Foundation (Hrsg.), Berlin Confrontation. Künstler in Berlin, Berlin, 1965, S. 30
Vgl. Rowell, Margit in: Fangor, Ausstellungskatalog des Guggenheims Museums New York, 1970, S. 11 ff
Vermittelt von Sascha Tyrra Kunstvermittlung im Jahre 2016